... endlich unterwegs!



Die "Puerta de Bisagra", nördlicher Zugang zur Altstadt Toledos
Die "Puerta de Bisagra", nördlicher Zugang zur Altstadt Toledos

Nach einer mehr oder weniger durchwachten Nacht ( ich schlief äusserst unruhig - wohl wegen der Aufregung!) durchstreifte ich in aller Herrgottsfrühe die Altstadt Toledos, die nach einem wunderschönen Sonnenaufgang ganz langsam erwachte. Aus jedem zweiten Schaufenster starrten mich schwertbewehrte Ritterrüstungen an, überall wurde für Messer, Säbel und andere Hieb- und Stichwaffen geworben - der weltberühmte Stahl aus Toledo dient also immer noch als DAS Aushängeschild der Stadt am Rio Tajo!

 

Und dann war ich endlich unterwegs!

Und dieser erste Tag war der härteste des gesamten Weges!

Schatten Fehlanzeige
Schatten Fehlanzeige

Aus Toledo heraus führen keine gelben Pfeile.

Also folgte ich der Beschreibung in meinem spanischen Führer - und verlief mich prompt. Was ich im Führer las, passte so ausgezeichnet zu dem Weg, den ich einschlug, dass mir keinerlei Zweifel ob der Richtigkeit kamen.

Irgendwann jedoch wusste ich an einer großen Kreuzung (schon weit ausserhalb Toledos) nicht mehr weiter.

Die Beschreibung passte nicht mehr zu den Tatsachen vor Ort.

Fragen konnte ich Niemanden, doch instinktiv wusste ich, dass ich wieder zurück in die Stadt gehen musste.

Nach rund 5 Kilometern Umweg und inzwischen schon schweissgebadet, fand ich schließlich doch noch den richtigen Weg, sodass ich gegen 10:00 Uhr Toledo endlich hinter mir lassen konnte.

 

Bald ging es kilometerweit in sengender Hitze an einer Strasse entlang, die sehr stark von Baustellen-LKWs frequentiert wurde.

Ich war für 2 Stunden in Staub gehüllt.

Als der Untergrund von Asphalt zu Schotter wechselte bemerkte ich, dass sich unter meinem rechten Fussballen eine Druckstelle bildete.

Ich hatte auf keiner meiner bisherigen Wanderungen jemals eine Blase gehabt - diese war die erste!

Langsam kroch mir auch der Hunger durch die Eingeweide und ich wurde mir schmerzhaft der Tatsache bewusst, dass ich ausser einer Tafel Herrenschokolade nicht Essbares bei mir hatte!

Was jedoch noch schlimmer war: Ich hatte auch nichts zu trinken!

Denn als ich am vorigen Abend in Toledo angekommen war, hatten alle Geschäfte bereits geschlossen und am heutigen Morgen war noch nichts geöffnet. (Und das verchlorte spanische Leitungswasser wollte ich nicht mitnehmen)

Hätte ich gekonnt, ich hätte mir selbst in den Hintern getreten!

So aber muss mein Aussehen derart verzweifelt und mitleiderregend gewesen sein, dass mir in Estiviel (nur ein paar Häuser einer Hacienda) eine Frau einen Liter Wasser für meine Feldflasche schenkte!

 

Ich schwor mir, mich in der nächsten Ortschaft - Rielves - mit dem Nötigsten einzudecken. Allein: als ich dort ankam, war widerum alles geschlossen, denn es war Siesta. Also wieder nichts mit Einkaufen!

Und es gab plötzlich auch wieder keine gelben Pfeile mehr. So irrte ich durch menschenleere Straßen, mehr und mehr von der immer schmerzhafter werdenden Blase geplagt, bis ich endlich Jemanden fand, der mir die Richtung weisen konnte.

Bis Torrijos, meinem heutigen Etappenziel waren es noch rund 10 Kilometer auf Schotterwegen. Mir tat alles weh, Krämpfe plagten mich in Schienbeinen und Waden, in Zehen und Risten.

Ich wollte nicht mehr!

 

Schließlich hatte ich Torrijos erreicht, und ich machte mich auf die Suche nach einer Unterkunft (was in einer Stadt dieser Größe kein Problem sein sollte!) Es gab keine!

Sämtliche Hostales und Pensionen waren belegt, die Herberge geschlossen. Nach einer Stunde Suchens fand ich schließlich in einem 3*** Hotel noch ein Zimmer.

Ich leckte meine Wunden, rieb mir die Füße und Beine mit Voltaren ein - und verbrachte eine Nacht voller hässlicher Schmerzen und tränentreibender Krämpfe. Ich war der Verzweiflung nahe, stellte das gesamte Unterfangen "Cami de Llevant" in Frage.

 

 


Dieser erste Tag hatte mich einer Initiation unterworfen.

Es kam mir so vor, als ob ich beweisen musste, dass ich für diesen Weg bereit war. (Genauso war es mir 2006 auf dem Camino Francés mit der Überquerung der Pyrenäen ergangen!)

Mir waren Dinge passiert, die höchstens (wenn überhaupt!) einem blutigen Anfänger passieren: Ohne Wasser und Proviant loslaufen, fast neue Socken anziehen etc. pp.

Am Ende wich das auf-sich-selbst-wütend-Sein einem über-sich-selbst-den-Kopf-Schütteln.

Und ganz am Ende konnte ich über mich selbst lachen.